#7 Nobelpreis 2024 geht an Ökonomen (Wohlstandsforscher)
#7 Nobelpreis 2024 geht an Wohlstandsforscher
Am vergangenen Sonntag hatte ich das große Privileg, beim Lindauer Matinee 2025 der Lindau Nobel Laureate Meetings zu Gast zu sein. Es war ein faszinierendes Matinee, bei dem einige der herausragenden Arbeiten der Nobelpreisträger des Jahres 2024 vorgestellt wurden. Im Mittelpunkt standen beeindruckende Entdeckungen und bahnbrechende Entwicklungen aus den Bereichen Chemie, Physik, Physiologie/Medizin und Wirtschaftswissenschaften. Die Präsentationen boten nicht nur einen spannenden Einblick in die Welt der Wissenschaft, sondern zeigten auch, wie diese Erkenntnisse dazu beitragen können, globale Herausforderungen zu bewältigen und unser Verständnis von Mensch, Natur und Wirtschaft zu erweitern. Besonders beeindruckend war die Art und Weise, wie komplexe Themen auf eine zugängliche und inspirierende Weise vermittelt wurden – ein Fest für den Geist und eine Feier der Wissenschaft.
Als Ökonomin und Reichtumsforscherin hatte ich bei diesem Matinee natürlich ein besonderes Interesse an einem ganz bestimmten Nobelpreis – demfürWirtschaftswissenschaften. Es war mehr als nur reine Neugierde, die mich anzog; vielmehr war es die Faszination für die bahnbrechenden Theorien und Modelle, die unsere moderne Welt nicht nur erklären, sondern auch formen können. Der diesjährige Preisträger beeindruckte mich besonders mit seinen tiefgreifenden Analysen und innovativen Ansätzen, die darauf abzielten, neue Perspektiven auf Themen wie Ungleichheit, Wohlstand und nachhaltiges Wachstum zu eröffnen. Es war inspirierend, zu sehen, wie wissenschaftliche Erkenntnisse direkt in wirtschaftspolitische Diskussionen einfließen können und wie sie dazu beitragen, die Gesellschaft gerechter und zukunftsfähiger zu gestalten.
Der Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften 2024 zeichnet die Forscher Daron Acemoglu, Simon Johnson und James A. Robinson aus. Sie wurden für ihre wegweisenden Studien über soziale Institutionen und deren Einfluss auf den Wohlstand geehrt. Im Fokus ihrer Arbeit steht die Frage, wie Institutionen entstehen und welche Rolle sie bei der wirtschaftlichen Entwicklung und den Einkommensunterschieden zwischen Ländern spielen. Jakob Svensson, der Vorsitzende des Wirtschaftspreiskomitees, hob hervor, dass die Verringerung der enormen Einkommensunterschiede weltweit eine der drängendsten Herausforderungen unserer Zeit sei – und dass die Preisträger eindrucksvoll gezeigt hätten, wie entscheidend gesellschaftliche Institutionen in diesem Prozess sind.
Die Studien der Preisträger beleuchten, dass die Wurzeln von Wohlstandsunterschieden oft in der Art der sozialen Institutionen liegen, die während der Kolonialisierung in verschiedenen Regionen eingeführt wurden. In vielen Fällen diente die Kolonialisierung dazu, indigene Bevölkerungen auszubeuten und natürliche Ressourcen für den Nutzen der Kolonialmächte zu gewinnen. Anderswo jedoch wurden integrative politische und wirtschaftliche Systeme geschaffen, die auf den langfristigen Nutzen europäischer Siedler abzielten. Diese unterschiedlichen Ansätze hatten tiefgreifende und bis heute nachwirkende Auswirkungen auf die wirtschaftliche Entwicklung der betroffenen Länder.
Die Arbeit der Preisträger Daron Acemoglu, Simon Johnson und James A. Robinson ist der Makroebene zuzuordnen. Ihre Studien befassen sich mit groß angelegten gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Strukturen, insbesondere mit sozialen Institutionen und deren Auswirkungen auf den Wohlstand ganzer Länder oder Regionen.
Die Makroebene betrachtet wirtschaftliche, politische und soziale Prozesse in ihrem Gesamtkontext, wie etwa die Wechselwirkungen zwischen staatlichen Institutionen, wirtschaftlichen Systemen und historischen Ereignissen wie der Kolonialisierung. Die Preisträger analysieren genau diese übergeordneten Zusammenhänge und zeigen, wie die Gestaltung von Institutionen (z. B. politische Stabilität, Rechtsstaatlichkeit, Verteilungsmechanismen) auf lange Sicht die wirtschaftliche Entwicklung beeinflusst.
Ihre Forschung zielt also nicht auf individuelle oder unternehmerische Entscheidungen ab (Mikroebene), sondern untersucht systemische Dynamiken und strukturelle Bedingungen, die ganze Gesellschaften betreffen.
„Forschung schafft neues Wissen“ (Neil Armstrong)
Eine Abgrenzung zwischen Wohlstands- und Reichtumsforschung
Die Reichtumsforschung lässt sich sowohl der Mikro- als auch der Makroebene zuordnen. Auf der Mikroebene untersucht sie, wie Einzelpersonen oder Haushalte Vermögen aufbauen, welche Investitionsentscheidungen sie treffen und welche sozialen oder psychologischen Faktoren ihr Verhalten beeinflussen. Auf der Makroebene hingegen analysiert sie größere Strukturen, wie die Verteilung von Reichtum innerhalb von Gesellschaften, den Einfluss von politischen und wirtschaftlichen Systemen oder die Entwicklung von Vermögensungleichheit. Oft verbinden Studien beide Ebenen, um ein umfassenderes Bild zu schaffen.
Reichtumsforschung auf der Makroebene:
Wenn die Reichtumsforschung größere Strukturen und Systeme untersucht, ordnet sie sich der Makroebene zu. Das betrifft Themen wie:
Die Verteilung von Reichtum innerhalb eines Landes oder zwischen verschiedenen Ländern.
Der Einfluss von wirtschaftlichen, politischen und institutionellen Faktoren auf die Vermögensverteilung.
Langfristige Entwicklungen wie die Vermögenskonzentration in der oberen Einkommensschicht.
Strukturelle Fragen, etwa wie Steuersysteme, Erbschaften oder soziale Ungleichheit Vermögen auf Gesellschaftsebene beeinflussen.
Reichtumsforschung auf der Mikroebene:
Wenn die Reichtumsforschung sich mit individuellen oder haushaltsbezogenen Faktoren beschäftigt, dann gehört sie zur Mikroebene. Dazu zählen Fragestellungen wie:
Wie akkumulieren Einzelpersonen oder Familien Vermögen?
Welche Investitionsentscheidungen treffen Haushalte, und wie wirken sich diese auf ihre finanzielle Situation aus?
Welche psychologischen oder sozialen Faktoren beeinflussen das Spar- und Konsumverhalten?
Wie wirken sich Bildungsniveau, Beruf oder familiäre Hintergründe auf den Reichtum von Einzelpersonen aus?
Hier steht der Einzelne oder der Haushalt im Fokus, und die Forschung untersucht das Verhalten oder die Entscheidungen auf individueller Ebene.
Die Reichtumsforschung auf der Mikroebene ist mein Schwerpunkt. Mich fasziniert besonders, wie Vermögen verteilt ist, da auch hier ein deutliches Ungleichgewicht herrscht. Die Verteilung von Reichtum ist weltweit stark ungleich und zeigt deutliche Unterschiede zwischen verschiedenen Gesellschaftsgruppen, Ländern und Regionen. Ein kleiner Teil der Bevölkerung kontrolliert einen Großteil des globalen Vermögens, während ein großer Teil der Menschen nur über geringe oder keine finanziellen Mittel verfügt. Diese Ungleichheit wird oft in Form der "Vermögenspyramide" dargestellt:
ObereVermögensschicht: Die reichsten 1 % der Weltbevölkerung besitzen einen großen Teil des globalen Vermögens, oft über 40 %. Sie verfügen über bedeutende Kapitalanlagen, Immobilien und Unternehmensbeteiligungen.
Mittelschicht: Die globale Mittelschicht, etwa 10-20 % der Bevölkerung, hat Zugang zu Bildung, stabilen Einkommen und Sparmöglichkeiten. Dennoch ist ihr Vermögen im Vergleich zur Oberschicht deutlich geringer und konzentriert sich häufig auf Immobilien oder Rentenansprüche.
UntereVermögensschicht: Die Mehrheit der Menschen weltweit gehört zu den unteren 50 %, die kaum oder gar kein Vermögen besitzen. Viele leben von der Hand in den Mund, sind hoch verschuldet oder haben keinen Zugang zu finanziellen Ressourcen.
Diese ungleiche Verteilung wirkt sich nicht nur auf das individuelle Leben aus, sondern prägt auch gesellschaftliche Stabilität, wirtschaftliche Chancen und politische Machtverhältnisse.
"Reichtum ist nichts als Mist und nur dann von Nutzen, wenn er weithin verbreitet wird."
— Chinesisches Sprichwort
Mein Hauptaugenmerk liegt besonders auf den sogenannten "Selfmade"-Menschen – also jenen, die es aus eigener Kraft geschafft haben, Wohlstand aufzubauen. Ich interessiere mich für die Geschichten hinter ihrem Erfolg, die oft durch harte Arbeit, Risikobereitschaft und strategische Entscheidungen geprägt sind. Diese Individuen sind für mich besonders spannend, weil sie zeigen, wie persönliches Engagement und unternehmerisches Denken es ermöglichen können, Wohlstand zu generieren, ohne auf Erbschaften oder andere äußere Faktoren angewiesen zu sein.
Ich analysiere, welche Voraussetzungen und Chancen es für diese Menschen gab, welche Herausforderungen sie überwinden mussten und wie sie mit Rückschlägen und Risiken umgegangen sind. Dabei spielt auch der soziale Kontext eine wichtige Rolle – wie Netzwerke, Bildung und das Umfeld dazu beitragen, dass diese Menschen die nötige Unterstützung finden, um ihren Weg zu gehen.
Die Geschichte zu den Lindern Nobelpreisträgertreffen
Die Nobelpreisträger, die an den Lindauer Nobelpreisträgertreffen teilnehmen, sind Teil einer langjährigen Tradition, die 1951 begann. Damals initiierte der deutsche Chemiker und Physiker Max Born das erste Treffen in Lindau, um den Austausch zwischen Nobelpreisträgern und jungen Wissenschaftlern zu fördern. Seitdem kommen Nobelpreisträger aus verschiedenen Disziplinen, darunter Physik, Chemie, Medizin und Wirtschaftswissenschaften, jährlich in die bayerische Stadt, um ihre Erfahrungen zu teilen und mit der nächsten Generation von Wissenschaftlern in Dialog zu treten. Die Veranstaltung hat sich zu einem bedeutenden internationalen Forum entwickelt, das den wissenschaftlichen Austausch auf höchstem Niveau unterstützt.