Vermeide die extremen Enden des Gelspektrums - oder doch nicht?
Seien wir mal ehrlich – es gibt kaum etwas Faszinierenderes als die Geschichten von Menschen, die ganz unten waren, die gescheitert sind, die mit dem Rücken zur Wand standen – und dann doch den Durchbruch geschafft haben. Wir alle lieben diese Erzählungen von Rückschlägen, Pleiten und Neuanfängen, weil sie uns zeigen, dass selbst aus den tiefsten Krisen Erfolg erwachsen kann.
Wir lieben solche Geschichten, weil sie Hoffnung geben und zeigen, dass Scheitern nicht das Ende, sondern oft der Anfang von etwas Größerem ist. Sie berühren uns, weil wir selbst Rückschläge kennen und inspirieren uns, weiterzumachen. Außerdem sprechen sie unser Gerechtigkeitsempfinden an – wer hart kämpft, soll am Ende belohnt werden. Und nicht zuletzt: Sie sind spannend, voller Drama und erinnern an die klassische Heldenreise, die uns immer wieder fesselt.
Gleichzeitig hören wir immer wieder "vernünftige" Ratschläge wie:
"Mediocritas est inter nimium et parum."
Die Mitte liegt zwischen zu viel und zu wenig.
(Cicero)
oder
"Halte dich von den extremen Enden des Geldspektrums fern." Doch wie lässt sich das mit den Erfolgsgeschichten vereinbaren, in denen gerade diese Extreme oft der Wendepunkt waren?
Man sagt oft: Vermeide die extremen Enden des Geldspektrums. Bleib in der sicheren Mitte, geh keine großen Risiken ein und sorge für finanzielle Stabilität. Doch wenn ich eines in meiner Reichtumsforschung gelernt habe, dann ist es, dass dieser Rat nicht unbedingt der Realität erfolgreicher Selfmade-Millionäre entspricht. Ganz im Gegenteil: Gut 80 % der von mir interviewten Unternehmerinnen und Unternehmer haben beide Extreme des Geldspektrums hautnah erlebt.
Die meisten waren nicht von Anfang an wohlhabend oder gar auf einem sicheren finanziellen Fundament. Viele von ihnen standen vor großen Herausforderungen, waren „lost & broke“, mussten Insolvenz anmelden oder kämpften sich nur mit einem Gründungszuschuss der Agentur für Arbeit aus der finanziellen Not heraus. Andere wagten es, Kredite aufzunehmen – sei es privat oder als Gründungskapital für ihr Business. Kurz gesagt: Fast alle begannen aus einem finanziellen Mangel heraus.
Doch genau diese Erfahrungen prägten sie. Sie lernten, mit Unsicherheit umzugehen, Risiken einzugehen und kreative Lösungen zu finden. Sie wussten, wie es sich anfühlt, wenn das Konto leer ist – und vielleicht war es genau dieser Schmerz, der sie antrieb, niemals wieder in diese Lage zu geraten.
In diesem Artikel möchte ich diese faszinierende Dynamik genauer beleuchten: Warum erleben so viele Selfmade-Millionäre erst den Tiefpunkt, bevor sie den Gipfel erreichen? Welche Lektionen konnten sie aus der finanziellen Not ziehen? Und vor allem: Was kannst du daraus für deinen eigenen Weg lernen?
finanzielle Not - Notwendigkeit für Erfolg?
Menschen neigen zunächst dazu, den einfacheren Weg zu wählen. Das liegt in unserer Natur – wir streben oft nach Bequemlichkeit und vermeiden es, unnötig Energie zu investieren. In vielen Fällen ziehen wir den direkten, weniger anstrengenden Pfad vor, weil er uns sofortige Erleichterung verschafft und wenig Aufwand erfordert. Doch diese Tendenz, den leichteren Weg zu gehen, ist nicht unbedingt negativ. Sie hilft uns, in einer Welt voller ständiger Reize und Anforderungen pragmatisch zu agieren.
Die wahre Veränderung jedoch, die dazu führt, dass Menschen ihre Gewohnheiten, Perspektiven oder Herangehensweisen ändern, geschieht meist nur dann, wenn es wirklich notwendig wird. Erst wenn wir mit einer Situation konfrontiert werden, die uns nicht mehr weiterbringt oder uns in eine Sackgasse führt, beginnen wir, unsere gewohnten Wege zu hinterfragen. Notwendigkeit fordert uns heraus – sie zwingt uns, aufzuwachen und einen neuen Ansatz zu suchen. Oft geschieht dies nichtfreiwillig, sondern als Reaktion auf ein Problem, das uns nicht länger entgehen lässt. Diese Momente der Notwendigkeit sind oft die Katalysatoren für tiefgreifende Veränderungen, die uns dazu bringen, uns aus unserer Komfortzone zu bewegen, uns anzupassen und vielleicht sogar unser Verhalten oder unsere Denkweise zu überdenken. Es ist nicht die einfache Entscheidung, die uns verändert, sondern die Herausforderung, die uns zum Handeln zwingt.
„Veränderung kommt nicht freiwillig – nur aus Notwendigkeit.“
Es gibt mehrere Gründe, warum es für viele Selfmade-Millionäre entscheidend war, erst einmal finanzielle Not zu erleben. Anbei die wichtigsten Antreiber, Motive & (emotionalen) Hintergründe:
1. Schmerz als Antrieb
Wenn du einmal ganz unten warst, entwickelst du einen unbändigen Willen, nie wieder dorthin zurückzukehren. Diese Angst vor finanzieller Unsicherheit kann ein enormer Motivator sein. Viele der interviewten Millionäre haben genau aus dieser Not heraus ihre größte Stärke entwickelt: die Fähigkeit, sich selbst aus schwierigen Situationen zu befreien.
2. Kreativität & Problemlösung
Mangel zwingt Menschen dazu, erfinderisch zu werden. Wer kein Kapital hat, muss andere Wege finden: Netzwerke aufbauen, ungewöhnliche Geschäftsideen ausprobieren, mit minimalen Ressourcen maximale Ergebnisse erzielen. Diese „Survival-Skills“ prägen den unternehmerischen Geist mehr als jede Business-Schule.
3. Demut & finanzielle Disziplin
Wer einmal erlebt hat, wie es ist, jeden Cent zweimal umzudrehen, wird später meist klüger mit Geld umgehen. Viele Selfmade-Millionäre wissen genau, wie wichtig es ist, nicht leichtsinnig zu investieren, Schulden zu vermeiden oder Ersparnisse klug zu nutzen. Ihre Erfahrungen aus der Notzeit machen sie langfristig finanziell stabil.
4. Resilienz & mentale Stärke
Finanzieller Mangel bringt oft existenzielle Ängste mit sich. Wer es durch eine solche Phase schafft, entwickelt eine mentale Widerstandskraft, die ihm später hilft, Krisen im Business zu überstehen. Diese Resilienz unterscheidet erfolgreiche Unternehmer oft von denen, die bei den ersten Herausforderungen aufgeben.
5. Wertschätzung für Erfolg
Viele, die aus finanzieller Not heraus erfolgreich wurden, haben eine tiefere Dankbarkeit für ihren Wohlstand. Sie wissen, wie hart sie gearbeitet haben, um dorthin zu kommen, und verschwenden ihr Geld nicht leichtfertig. Außerdem sind sie oft inspiriert, anderen zu helfen, weil sie selbst wissen, wie es ist, von ganz unten anzufangen.
Die Psychologie dahinter
Das psychologische Phänomen dahinter nennt man „TeachableMoments“.
Ein "Teachable Moment" ist eine besondere Gelegenheit, in der eine Person besonders empfänglich für neue Erkenntnisse oder Verhaltensänderungen ist. Es handelt sich um einen psychologischen Zustand erhöhter Lernbereitschaft, oft ausgelöst durch eine unerwartete Situation, eine Krise oder eine tiefgreifende persönliche Erfahrung.
„Teachable Moments sind wie versteckte Schätze – sie erscheinen, wenn wir unsere Augen, Herzen und unseren Geist öffnen.“
1. Was macht einen „Teachable Moment“ aus?
Nicht jede Alltagssituation ist ein guter Lernmoment. Ein „Teachable Moment“ tritt meist dann auf, wenn folgende Faktoren zusammentreffen:
Emotionale Betroffenheit: Eine Person erlebt einen Moment des Schocks, der Freude, der Frustration oder der Einsicht – wodurch ihre Aufmerksamkeit geschärft wird.
Unmittelbare Relevanz: Die neue Information oder Lektion ist für die aktuelle Situation von direkter Bedeutung.
Offenheit für Veränderung: Der bisherige Denk- oder Verhaltensansatz funktioniert nicht mehr, wodurch eine kognitive Lücke entsteht, die gefüllt werden will.
2. Warum sind „Teachable Moments“ so effektiv?
Menschen lernen am besten, wenn Wissen nicht abstrakt bleibt, sondern sich mit einer persönlichen Erfahrung verbindet. In einem „Teachable Moment“ ist das Gehirn besonders aufnahmefähig für neues Wissen, weil:
Emotionale Erlebnisse das Gedächtnis stärken.
Eine „Cognitive Dissonance“ entsteht – ein Spannungszustand, bei dem die bisherigen Überzeugungen oder Handlungen nicht mehr zu der aktuellen Realität passen.
Die Motivation, etwas zu ändern, besonders hoch ist, weil das Problem gerade „real“ und spürbar geworden ist.
3. Beispiele für „Teachable Moments“
FinanziellerMangel & Business-Erfolg: Viele Selfmade-Millionäre sagen, dass erst ihre finanzielle Not ihnen bewusst machte, dass sie ihr Geldbewusstsein und ihre Strategie ändern müssen.
Gesundheit & Lebensstiländerung: Jemand, der einen Herzinfarkt erleidet, wird in diesem Moment viel empfänglicher für den Rat eines Arztes, seinen Lebensstil zu ändern, als jemand, der sich kerngesund fühlt.
PersönlicheBeziehungen: Nach einer Trennung oder einem Streit reflektieren viele Menschen zum ersten Mal wirklich über ihre eigenen Verhaltensmuster und sind bereit, etwas zu verändern.
Elternschaft: Viele Eltern merken erst dann, wie wichtig bestimmte Werte oder Erziehungsstile sind, wenn sie mit einer konkreten Herausforderung konfrontiert werden.
4. Wie kann man „Teachable Moments“ bewusst nutzen?
Selbstreflexion: Wenn du merkst, dass du emotional auf eine Situation reagierst, frage dich: „Was kann ich daraus lernen?“
Mentoren & Coaches: Gute Lehrer und Mentoren erkennen „Teachable Moments“ und nutzen sie gezielt, um Wissen zu vermitteln, das gerade besonders gut „hängen bleibt“.
InderErziehung & imBusiness: Statt Menschen mit abstrakten Theorien zu belehren, hilft es, auf konkrete Erlebnisse einzugehen und sie in diesem Moment zum Nachdenken anzuregen.
Fazit:
„Teachable Moments“ sind wie Türen, die sich für einen kurzen Moment öffnen. Wer sie erkennt und nutzt, kann tiefgreifende Veränderungen bewirken – sei es im eigenen Leben oder im Leben anderer. Sie sind der Grund, warum viele Menschen aus Krisen oder Herausforderungen gestärkt hervorgehen: Weil sie in genau diesen Momenten bereit waren, etwas zu lernen und anders zu handeln.
Manchmal scheinen die sogenannten ‚teachable Moments‘ eine dringende Voraussetzung und Notwendigkeit darzustellen, weil sie uns in den Momenten erreichen, in denen wir am meisten bereit sind, unsere Perspektive zu verändern. Es sind diese besonderen Augenblicke im Leben, in denen wir die Dinge plötzlich anders betrachten, mit neuen Augen sehen und erkennen, dass es einen anderen Weg gibt, die Welt zu verstehen. Sie sind wie ein Wendepunkt, der uns dazu bringt, unsere bisherigen Überzeugungen und Handlungsweisen zu hinterfragen und uns dazu anregt, mutig neue Wege zu gehen. Oft kommt diese Veränderung nicht aus einem bewussten Entschluss heraus, sondern aus der Erkenntnis, dass das, was wir bisher getan haben, nicht mehr ausreichend ist, um weiter zu wachsen. In solchen Momenten sind wir bereit, die Dinge anders anzugehen und neue Lösungen zu finden, die uns ein Stück weiterbringen. Diese ‚teachable Moments‘ sind wie Wegweiser auf unserem Lebensweg, die uns in genau dem Moment, in dem wir es am meisten brauchen, die Richtung weisen.